Warum gut bezahlte Copywriter keine Fachidioten sein müssen

3 goldene Wege aus dem Spezialisierungszwang

Zwei Bekannte von mir hatten vor 20 Jahren eine Hammer-Geschäftsidee. Sie waren jung, studierten Journalistik und klar brauchten sie das Geld.

Sie kreierten eine Bling-Bling-Broschüre für eine Anwaltskanzlei, auf der sich das Gucci-Logo prima gemacht hätte – mit Glanzprägung und vergoldeten Buchstaben. Dann gingen sie in Hamburg Kanzleiklinkenputzen. Für läppische 4.000 € zuzüglich Produktionskosten konnte sich die High Jura Society auch so eine Imagebroschüre produzieren lassen.

Der texterische Aufwand war minimal: Meine Kumpels, deren Namen ich hier nicht nenne, tauschten ein paar unternehmenshistorische Daten aus und hatten feste Textblöcke, die sie je nach Standardleistung anpassen konnten.

Macht einen Tagessatz von 4.000 Euro plus (zugegeben) Zeit für die Akquise. Aber die war unproblematisch, weil die Schicki-Micky-Broschüren so elegant wirkten, dass sie alle direkt haben wollten.

Machen sie das heute immer noch? Rate mal.

Abgesehen davon, dass die Sache mit den identischen Textbausteinen online problematisch wäre, haben sie ihr Business schnell wieder eingestampft.

Obwohl es funktioniert hat!

Weil es für viele Kreative stinklangweilig ist, nur über ein Thema oder für eine Branche zu schreiben. Ich würde lieber mal einen Tag über was Ödes wie Steuererklärungen für Hausverwalter texten als 10 Jahre lang ausschließlich über ein einziges Thema, das mich fasziniert – sagen wir Karate.

Weil Copywriter Wissensjunkies sind, die sich für alles Mögliche begeistern können und ihre epische Allgemeinbildung liebend gerne pflegen. Beim Studenten-Pisa-Test des SPIEGEL nahmen 2008 über 600.000 Menschen teil und unter den Besten waren gleich zwei Werbetexter.

Weil die überwältigende Themenvielfalt mit mehr absurden Highlights als in allen Tarantino-Filmen zusammen einen großen Reiz des Berufs ausmacht. Kleine Anekdote: Ich habe mal Texte für ein Mini-Startup entwickelt, das nach dem Ableben der Kundschaft Briefe aus dem Jenseits verschickt.

Deshalb ist diese Frage für Text-Einsteiger und Fortgeschrittene ziemlich weltbewegend:

Müssen Copywriter Fachidioten werden, wenn sie erfolgreich im Job sein wollen?

Um sie zu beantworten, kommt mir die Blogparade von contentcure mit dem gar nicht provokanten Titel „Endstation Texterstrich“ gerade recht.

Spoiler-Alarm: Am Ende zeige ich dir 3 goldene Wege aus dem Spezialisierungszwang, die auch Berufsanfänger weg vom künstlich verengten Themenfokus führen.

Aber lass uns am Anfang starten.

Kleiner Einschub vorweg:


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Was soll der Spezialisierungs-Hype?

Die Spezialisierung auf ein Themengebiet wie „Beauty“, „Automotive“ oder „Travel“ gilt als solide Option, um als Copywriter nicht auf den Cent-Strich im Content-Puff zu gehen.

Der Gedanke ist ja richtig: Klar müssen wir als Copywriter rechtfertigen, dass wir 100 € und mehr pro Stunde nehmen, wenn andere sich für einen Cent pro Wort prostituieren. Und wenn Software schon jetzt viel günstiger Massen-Standardtexte produzieren kann, die ganz passabel klingen.

Eine Spezialisierung macht‘s dir leichter.

Ein Autokühler-Hersteller will keinen Gemischtwaren-Copywriter für Verschiedenes, sondern die Expertin, die die Branche kennt und weiß, wie man mit Einkäufern in Automobilkonzernen spricht. Dieses Spezialwissen ist ein Stundensatz-Turbo-Booster.

Ich habe das am eigenen Leib erfahren, als ich noch als Freelancerin unterwegs war. Viele Jobs von Agenturen kamen mit der Kunden-Anforderung, dass der Copywriter Arbeitsproben zeigen kann, die seine Erfahrung in einem ganz bestimmten Bereich demonstrieren: Fondsanlagen für Firmenkunden, Kosmetik für Teenager oder Webtexte für internationale Speditionen.

Trotzdem wollte ich meinen Tanzbereich nicht so eng abstecken.

Fast jedes Thema hat das Zeug dazu, meine Begeisterung zu entfachen. Aber die Glut der Leidenschaft kühlt genauso schnell wieder ab.

Als Scannerin (oder nenn es Dilettantin) habe ich mehr Hobbys als ein Teenager Pickel – das Sammelsurium reicht von Karate, Yoga und Laufen bis Schach, Doppelkopf und Pen & Paper Rollenspiel, Spitzfederkalligraphie, Nähen, Stricken und Blockflöte. Und das ist nur ein Auszug.

Mir würde mein Job schlicht keinen Spaß mehr machen, wenn ich mich nur mit einem Thema befassen dürfte.

Die Spezialisierung auf eine Branche oder ein Fachgebiet ist eine super Möglichkeit, als Copywriter schnell ordentlich bezahlt zu werden. Und das ist sicher ein guter Weg für viele.

Aber er ist bei weitem nicht der einzige!

Zum Glück gibt es Alternativen für alle anderen Dilettanten da draußen, die auch irgendwie ihre Kaviar-Brötchen als Copywriter verdienen wollen.

Weg 1: Spezialisiere dich, aber nicht auf eine Branche

Das Problem mit der Spezialisierung ist ja, dass die Abwechslung verloren geht. Egal, wie ausbalanciert deine Chakren sind, nach der 20. Website für Yogastudios flieht deine Muse ins Nirvana. Deshalb kannst du dich bewusst so spezialisieren, dass dir die Themenvielfalt erhalten bleibt.

Etwa auf eine Zielgruppe:

  • Texte für die Generation Z (oder such dir eine andere Generation)

  • B2B-Texte für den Mittelstand (dann kannst du immer noch über alles Mögliche schreiben)

  • Texte für die LGBTQ-Community (oder eine andere nicht durch eine Branche definierte Personengruppe)

Oder auf eine Textform:

  • E-Mail-Kampagnen

  • Paid Advertising mit Facebook, Instagram, Google und LinkedIn-Ads

  • Messbar hochkonvertierende Verkaufsseiten

  • Claims und Slogans

Oder auf eine Spezialfertigkeit:

  • Storytelling für kleine Unternehmen

  • SEO-Content mit Infotainment-Faktor

  • Einfache Sprache

 Weg 2: Schlag den Computer mit Konzeption

Wenn du nicht mit superschlauer Text-Software konkurrieren willst, die rasant besser wird, dann lass dir das bezahlen, was dich unterscheidet!

Du kannst mehr als Text: Du kannst Konzeption.

Als Copywriter übernimmst du fast von selbst die Funktion einer Unternehmensberatung: Um deinen Text anständig schreiben zu können, musst du verstehen, was das Unternehmen so besonders macht, wen es genau ansprechen will und warum Kunden dort kaufen.

Die meisten Unternehmen haben ein schön klingendes, aber inhaltlich mageres Gerippe an Markenkonzeption. Aber das hilft dir kein Stück weiter, wenn du wirksame Texte schreiben willst

Deine ganz normalen Briefing-Fragen triggern dann oft einen Prozess, in dem die Marke inhaltlich entwickelt wird. Mit echten USPs (statt schwammigen Exzellenz-Behauptungen), emotionalen Benefits und einem glaubhaften Warum, das über „Leidenschaft für (hier Produkt einfügen)“ hinausgeht.

Damit dir das bezahlt wird, kannst du dich von vornherein als Konzeptions-Copywriter aufstellen. Dein Vorteil gegenüber einem Beratungsunternehmen: Du kannst das Konzept textlich umsetzen!

Konzeption hört vor allem nicht bei der Marke auf! Du kannst dich mit crossmedialen Kampagnen oder mehrstufigen Funnel-Konzepten befassen.

Eine besonders spannende Richtung für Konzeptioner ist die Entwicklung von Markensprachen. Brandvoice ist ein großes Thema in der Content-Arena, in der Individualität gewinnt.

Mit einem Fokus auf Konzeption bringst du eine Milchstraße zwischen dich und die Billigtexter.

Weg 3: Kultiviere deinen Stil

Ich sage überall, dass man mich nicht für Auftragstexte buchen kann. Trotzdem bekomme ich ständig Anfragen. Die Begründung ist eine Variation von: „Sie schreiben so toll, das wollen wir für unsere Marke auch“.

Diesen Auftraggebern ist es schnurzpiepegal, ob ich ihre Branche kenne. Sie wollen meinen Stil.

Auf Englisch gibt es den Ausdruck „You do you“. Sinngemäß übertragen heißt das: „Kein anderer ist so gut darin, du zu sein wie du.“

Wenn du also einen individuellen Schreibstil draufhast, freu dich! Du hast etwas, das keiner so gut kann wie du. Dein Stil muss nicht zwingend rebellisch oder zum Kaputtlachen sein. Aber man sollte ihn rauslesen können.

Natürlich kannst du nachhelfen und dir vorher überlegen, welche gefragten Eigenschaften dieser Stil haben soll:

  • Kannst du nordisches Understatement?

  • Ist dein dezenter Charme supersymphatisch und kommt bei Familien besonders gut an?

  • Wirkt dein Wortwitz lässig, spontan und unbemüht?

  • Spiegeln deine modernen Metaphern den Zeitgeist wider?

Deine persönliche Schreibe kannst du auf deiner Website (vielleicht mit eigenem Blog) und auf deinen sozialen Medien kultivieren.

Dein unverwechselbarer Stil wird so zu deinem ganz persönlichen USP und liefert den alleinigen Grund, aus dem Auftraggeber dich buchen – und zwar zu DEINEN Konditionen.

Was ist besser: Thematische Spezialisierung oder ein anderer Weg?

Ganz klar: Das kommt drauf an, welcher Typ Copywriter du bist.

Im Titel habe ich gemein „Fachidiot“ geschrieben. Das muss nicht so negativ sein, wie es klingt. Liebst du es, dich tief in ein Thema reinzufuchsen und immer mehr Wissen dazu auszugraben, bis du genauso viel darüber weißt wie deine Kundschaft?

Bleibst du gern bei einer Sache, wenn dich die Begeisterung gepackt hat und hältst durch, bis du echtes Expertenwissen hast? Je mehr du über ein Thema lernst, desto mehr faszinierende Aspekte entdeckst du.

Dann lass uns den Fachidioten in „Geek“ umbenennen! Die thematische Spezialisierung ist dein Weg. Pass nur auf, dass du dich gerade am Anfang nicht ablenken lässt. Such dir gezielt Projekte (egal wie klein) und erste Kunden aus deiner Wunschbranche. Nach den ersten paar Jobs kommen mehr fast von selbst.

Bist das nicht du?

Dann langweilst du dich bestimmt ähnlich schnell, wenn es zu sehr in die Tiefe geht. Du liebst den Copywriter-Job besonders, weil du dich mit einem Wildblumenstrauß an Themen beschäftigen darfst? Deine Kreativität versiegt, wenn sie nicht schnell neues Futter bekommt.

Okay, du bist ein Fall für einen der anderen rentablen Wege, auf denen du zum gefragten Copywriter wirst.

Du bist dran: Welchen Weg wählst du, um als Copywriter gut zu leben? Ich freue mich über deinen Kommentar!

 


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